Ego

„Leave your ego at the door“, ist vielleicht einer der meist gegebenen Ratschläge im Brazilian Jiu Jitsu. Aber was genau bedeutet das?

Im Allgemeinen ist damit das kleine trotzige Kind gemeint, welches einem z. B. ins Ohr flüstert nicht abzuschlagen, auch wenn der Schulterhebel vom wesentlich leichteren Weißgurt schon verdammt eng sitzt.
Sollte man trotz allen Widerstandes gezwungen sein abzuschlagen, sorgt genau dieses kleine trotzige Kind dafür, dass man danach durstet seinem Partner für diese erlittene „Schmach“ in der nächsten Sparringsrunde leiden zu lassen.

Das Resultat solchen Handelns ist im besten Fall nur eine negative Stimmung zwischen den Trainingspartner und Frust, kann aber auch im schlimmsten Fall zu ernsthaften und äußerst überflüssigen Verletzungen führen.

Was soll also nun mit diesem kleinen trotzigen Kind namens „Ego“ passieren?
Der Ratschlag ihn an der Gymtür abzusetzen und warten zu lassen ist meines Erachtens falsch!

Vielmehr muss auch dieses Kind, da ja ein Teil von jedem, mit auf die Matte.
Es hat das Recht wie alle anderen „Kinder“ (Charakterzüge) auch mit dem stetigen Training erwachsener und reifer zu werden.
Denn schließlich hat dieses Kind nicht nur negative Seiten zu bieten, sondern kann einem auch mit seiner Stärke durch Trainingstäler und Verletzungstiefen in Form von Ehrgeiz und Motivation helfen.

Der Wille besser zu sein als andere ist durchaus nicht falsch, muss aber in gesunde und zielgerichtete Bahnen gelenkt werden.
Der Trainierende bzw. sein Ego muss verstehen, dass er ohne seinen Partner nicht besser werden kann und er im Grunde gemeinsam mit seinem Partner ein gemeinsames Ziel verfolgt.

Beim Jiu Jitsu geht es nur in zweiter Linie um gewinnen und verlieren. Es geht viel mehr darum mit jedem Training besser zu werden und sein Repertoire mit jeder Trainingseinheit stetig zu erweitern.
Dazu gehört es nun mal auch, das neu Erlernte im Sparring auszuprobieren.
Dabei ist es dann nur selbstverständlich, dass man dabei auch öfters vom Partner bezwungen wird.

Abschlagen, Nachdenken und Weitermachen ist somit ein ganz natürlicher Prozess der Weiterentwicklung.
Durch stetiges Training wird das zuerst noch unerzogene und nach Triebbefriedigung gierende Kind lernen, dass es auch erwachsen werden kann und es seine Stärken gezielt einsetzen kann.

Ein gut erzogenes und gereiftes Ego ist meines Erachtens viel mehr Wert, als das Ego was immer noch als trotziges Kleinkind vor der Tür wartet bis es irgendwann mal durch Zufall durch die Tür schlüpft und mit geballter Wut auf die Matte stürmt.

Wenn du in der nachfolgenden Liste einige Punkte für dich bestätigen kannst, ist dies ein Hinweis dafür, dass Dein Ego noch einige Erziehung benötigt:

  • Du schlägst nur sehr spät und möglichst nie ab.
  • Dir ist es egal ob Du dich oder andere verletzen könntest.
  • Du trainierst mit Wut im Bauch.
  • Du weißt genau, wer Dich und wie oft er Dich besiegt hat.
  • Du weißt genau wie oft du deine Partner besiegt hast.
  • Du bist dir sicher, dass du zu gut für deine jetzige Gürtelfarbe bist.
  • Du sagst deinem Trainer, dass er dich nun endlich mal graduieren sollte.
  • Du rollst mit 100 %, egal ob ein älterer oder leichterer Trainingspartner mit dir trainiert.